Wie alles begann

„Soo Opi, kannst Du uns bitte, bitte die Geschichte erzählen.“, sagt Puri, nachdem sie mich in meiner Hängematte durchgeschüttelt hatte um mich aus meinem Mittagsschlaf zu wecken.

„Na gut“, erwiderte ich, „Lasst uns zu Sven in die Werkstatt gehen. Dort kann ich euch etwas zeigen.“

„Hi Sven, darf ich Deine Werkstatt für eine Weile benutzen, um den Kindern zu zeigen, wie wir früher gearbeitet haben.“, frage ich Sven, der sofort einwilligte.

„Früher haben die Menschen, je nach dem, was sie für einen Beruf gelernt hatten, in Werkstätten wie dieser hier gearbeitet. Hier werden Gegenstände wie zum Beispiel Schränke, Tische, Stühle, Spielzeug und so weiter hergestellt. Die Werkstätten waren früher nur um einiges größer als diese hier. Dort waren hunderte von Menschen beschäftigt und haben Dinge hergestellt, die entweder nützlich waren oder aber einfach nur zur Zierde irgendwo hingestellt wurden. Jeder Mensch mußte früher arbeiten, um sich Essen, Miete, Autos, Computer und so weiter leisten zu können.“

„Wieso mussten die Menschen denn für Essen bezahlen und was ist eine Miete?“, fragt ein kleiner Junge aus Guatemala.

„Nun“, antwortete ich, „Früher gehörte das gesamten Land irgendwelchen anderen Menschen, die es uns allen weggenommen haben. Wir konnten also kein Obst und Gemüse anbauen und mussten es von den anderen Menschen, die das Land besaßen abkaufen.“

Der kleine Junge fragte nach: „Warum haben die euch das Land denn einfach weggenommen?“

„Tja, das kann ich Dir leider nicht sagen. Ich weiß nur, als ich zur Welt gekommen bin, da hatten sie das Land schon. Und es gab Gesetze und wenn man das Land der anderen betrat, um sich zum Beispiel einen Apfel zu pflücken, dann kamen da manchmal andere Menschen mit Waffen und haben uns mitgenommen und uns eingesperrt, weil es verboten war, dies zu tun.“

„Es war verboten zu Essen?“, will der kleine Junge wissen.

„Nein, es war verboten, den anderen Menschen etwas wegzunehmen.“, antworte ich.

„Du wolltest wissen, was Mieten sind. Früher gab es Häuser auf dem Land der anderen Menschen. Man konnte in diesen Häusern wohnen, musste dafür aber jeden Monat Geld bezahlen. Und dies nannte man dann Miete“, erklärte ich.

„Das Wort Geld habe ich schon mal gehört. Was hatte es damit auf sich?“, möchte ein anderer Junge wissen.

„Geld war etwas, das die Menschen benutzt haben, um etwas zu tauschen. Stell dir einmal vor Du hast einen Apfelbaum im Garten und dein Nachbar hat einen Birnbaum im Garten. Nun würdest du zur Abwechslung auch gerne mal eine Birne essen.“

„Ja, wenn ich eine Birne essen möchte, dann pflücke ich mir einfach eine.“, sagt der andere kleine Junge.

„Du hast Recht“, antwortete ich, „aber früher war das halt anders. Wie schon gesagt, es war verboten einem anderen etwas wegzunehmen. Also musste man für eine Birne Geld bezahlen. Man hätte die Birne natürlich auch gegen einen Apfel tauschen können, doch wenn der Mensch mit den Birnen gerade keinen Apfel mag, dann nimmt er lieber das Geld und kauft sich dann später davon eventuell einen Apfel oder er benutzt das Geld um Miete zu bezahlen oder etwas anderes. Damals hat fast alles Geld gekostet. Das Geld gab es in Papierform und als Münzen. Wollte man eine Birne kaufen, dann hat man dem sogenannten Verkäufer entweder genügend Münzen gegeben oder so einen Geldschein aus Papier.“

Die Kinder lauschten meinen Worten, als wenn ich ihnen gerade ein Märchen erzählen würde. Ich kann mir vorstellen, das all dies sehr befremdlich und aber auch spannend für die Kinder sein muss.

„Hatten denn früher alle Apfelbäume, so dass sie ihre Äpfel verkaufen konnten?“, will ein Mädchen wissen.

„Nein, ich sagte ja bereits, daß das Land den anderen Menschen gehörte. Man konnte selber Land kaufen, aber dafür brauchte man ganz viel Geld. Um früher Geld zu verdienen musste man arbeiten gehen. Arbeiten bedeutete, das wir von Morgens, bevor die Sonne aufging zur unserer Arbeitsstelle gehen oder fahren mussten, dort haben wir dann Dinge für die anderen Menschen gemacht und durften dann wieder nach Hause fahren, wenn die Sonne untergegangen ist.“

„Du willst uns doch einen Bären aufbinden.“, sagt eines der Kinder.

„Nein, das war damals wirklich so. Zugegebenermaßen haben nicht alle Menschen in Werkstätten gearbeitet sondern durften draußen in der Sonne arbeiten. Das war aber auch nicht so schön, weil man durfte da zum Beispiel schwere Dinge schleppen und schwitzte ganz doll. Einige hatten es besser, sie durften andere rumkommandieren und ihnen sagen, was sie zu tun haben, aber dafür mußten diese Menschen sich lange, lange immer wieder so komische Geschichten von noch anderen Menschen anhören, bis sie es geglaubt hatten. Das nannte man früher studieren.“

„Mein Oma hat mal gesagt, dass sie studiert hat, weil sie keine Lust hatte zu arbeiten.“, kommt aus einem der Jungs geschossen. Alle lachten.

„Ja arbeiten war nicht wirklich schön. Aber keiner von uns kannte etwas anderes. Als ich damals krank wurde, weil ich so viel gearbeitet hatte, wurde mir klar, daß es so nicht weiter gehen kann. Ich erinnerte mich an meine Kindheit. Da hatten wir 3 Apfelbäume in unserem Garten. Wenn ich Hunger hatte, dann habe ich mir einen Apfel gepflückt. Damals wurde mir klar, dass es auch ein Leben ohne Arbeit geben kann.“

„Muss ich auch arbeiten?“, fragt ein kleines Mädchen.

„Nein“, erklärte ich ihr, „aber wenn Du das gerne möchtest, dann kannst Du es gerne einmal ausprobieren. Nicht jede Arbeit war schlecht. Es gab ja zum Beispiel auch Menschen, die haben anderen Menschen bei ihren Problemen geholfen, das kann natürlich Spaß machen oder besser gesagt, es fühlt sich gut an, dies zu tun. Da gibt es zum Beispiel den Masseur, der konnte anderen Menschen die Schmerzen, vom vielen arbeiten, wegmassieren. Es gibt heute noch Menschen, die das tun. Ich zum Beispiel massieren andere Menschen, damit es ihnen danach besser geht. Aber das sehe ich nicht als Arbeit. Ich bekomme ja auch kein Geld dafür, sondern tue das gerne.“

„Du hast gesagt, die Menschen haben von Morgens bis Abends gearbeitet. Haben sie das denn jeden Tag gemacht?“

„Ja, in einigen Ländern haben Menschen jeden Tag gearbeitet. Sogar Kinder in eurem Alter haben das getan. Bei uns Zuhause hat man allerdings nur 5 Tage die Woche gearbeitet. Jeden Tag 8 Stunden. Wir hatten also noch etwas mehr freie Zeit und deshalb kam es uns auch gar nicht so schlimm vor, sonst hätten wir schon eher rebelliert.“

Das schlimme war, jeder Mensch musste irgendwie Geld verdienen, um sich Essen, Miete usw. leisten zu können. Und wenn man keine Arbeit gefunden hat. Dann musste man anderen Menschen etwas wegnehmen, damit man nicht sterben musste. Zusätzlich hat die Regierung Unsicherheit durch unsichere Arbeitsplätze und zuallerletzt sogar durch Sanktionierung von Sozialhilfe, erzeugt, weil ängstliche Bürger sind besser kontrollierbar. Das hatte mit Demokratie nicht mehr viel zu tun. Und weil jeder Geld verdienen musste, wurde Dinge hergestellt, die kein Mensch benötigt. Und damit die Menschen das unnütze Zeugs gekauft haben, hat man ständig auf sie eingeredet und überall Schilder aufgestellt, wo drauf stand: Du musst unbedingt meine Dinge kaufen, weil ohne meine Dinge bist du ein Niemand. Und viele Menschen haben das irgendwann geglaubt, weil jeder gesagt hat, ja kauf das. Immer und immer wieder. Die Menschen haben sogar Geld für Gift ausgegeben und es zum Beispiel als Rauch eingeatmet oder getrunken. Nur weil man ihnen gesagt hat, daß das jeder macht und daß das dazu gehört.“

„Ich glaube ich kann heute Nacht nicht gut schlafen.“, sagt eines der Mädchen.

„Ja“, begegnete ich, „Wir machen auch besser Schluss für heute.“

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